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Mit vorliegender CD präsentiert das renommierte Label für atmosphärische und düstere Ambient-Musik und experimentelle elektronisch erzeugte Klangwelten, Cryo Chamber aus Amiland ihre bereits achte Kollaboration, welche dem Schaffenswerk von Howard Phillips Lovecraft gewidmet wurde und sich dabei insbesondere seinem Cthulhu-Mythos, den alten Göttern (des Äußeren), den alten Wesen und natürlich den Großen Alten annimmt.
Nachdem die Reihe vor nunmehr acht Jahren mit dem Titel Cthulhu ihren Anfang machte, und auch Göttern wie Azathoth (das Ur-Chaos, der Dämonensultan, Anfang der Großen Alten und allen anderen Göttern), Shub-Niggurath (die schwarze Ziege mit ihren 1000 Jungen), Nyarlothotep (das kriechende Chaos, Bote der Äußeren Götter, der die Erde in mehreren Gestalten aufsucht) oder etwa Hasthur (auch Xastur, der Unaussprechliche; einer der Großen Alten, der sein Dasein nicht in den Untiefen der Erde fristet, sondern auf einem dunklen Stern tief im Weltall gefangen ist).
Mit Dagon huldigt man nun dem Gott des Meeres, der seinen Ursprung in den Werken Lovecraft's in der gleichnamigen Kurzgeschichte hat, in welcher ein namenloser Seemann mit seinem Ruderboot hilfslos über den Pazifik treibt, nachdem sein Schiff von Deutschen Marinesoldaten geentert wurde (die Geschichte ist im Ersten Weltkrieg angesiedelt), und sich eines Morgens nach dem Erwachen aus einer alptraumhaften Nacht auf See auf einer Insel wiederfindet, die übersät ist mit Kadavern von Fischen, Meeressäugern, Meeresfrüchten und unbekanntem Getier.
Als er diese sumpfige Einöde erkundet, entdeckt er einen Monolithen mit fremdartigen Verzierungen, die ihn schaudern lassen. Als sich dann ein riesiges abstoßendes Wesen aus dem Wasser emporhebt, den Monolithen zur Gänze umklammert und dabei ein Geschrei ausstößt, was jenseits allem ist, was er je gehört hat, flieht der unglückselige Seemann, fassungslos und dem Wahnsinn nahe.
Er erreicht mit letzter Kraft sein Boot und das einzige, was er vor einer Ohnmacht wahrzunehmen glaubt, ist dass ein Sturm aufzieht.
Er erwacht erst in einem Krankenhaus, schweigt aber über seine Erlebnisse.
Die Geschichte endet wie sie begann: Mit einer Überblende, in welcher der namenlose Protagonist, der sich unter der Einnahme verschiedener Opiaten, kurz vor seinem Selbstmord, seine Erlebnisse zu Papier bringt...
Es bleibt bei H. P. Lovecraft ungeklärt, ob es sich bei Dagon ebenfalls um einen der Großen Alten handelt, oder ob er überhaupt zu den Göttern gezählt wird. Als ziemlich wahrscheinlich gilt aber, dass sich Lovecraft selbst für Dagon von der gleichnamigen sumerischen Gottheit (ursprünglich: Dagān) inspirieren ließ.
So ist auch der Dagon von Lovecraft ein Meeresgott, der über ein Gefolge, die sogenannten Tiefen Wesen, halb Mensch, halb Fisch, verfügt. In der Geschichte "Schatten über Innsmouth" wird über den esoterischen Orden von Dagon berichtet, in welchem Kultisten des Ortes Dagon Opfer bringen, und sich ihre Frauen von ihm schwängern lassen, um Tiefe Wesen zu zeugen.
Aber wie es schon in der Literatur Lovecraft's verhält, lohnt sich auch hier ein Blick in das Werk anderer Künstler, die sich dem Cthulhu-Mythos verschrieben haben: So heißt es in dem Lied "Dagon" des amerikanischen Duos NOX ARCANA:
"Behold mighty Dagon, the great leviathan,
risen from the black depths of the eternal sea.
For he is the avatar of Cthulhu, who lies dreaming
in deathless slumber in his ancient temple in R'lyeh"
(aus dem Album Necronomicon)
So viel aber nun zum Hintergrund. Kommen wir endlich zum Kern - der Musik.
Dagon kommt wie bereits seine jüngeren Vorgänger in einem sehr schicken Digibook daher, als 2-CD-Box mit integriertem umfangreichen Beiheft. An der Musik selbst sind 21 Künstler und Projekte beteiligt (immerhin handelt es sich hier um ein Werk mit insgesamt knapp zwei Stunden Spielzeit), darunter DEAD MELODIES, COUNCIL OF NINE, RNGMANN, WOLRDCLOCK, ATRIUM CARCERI, ALPHASONNE, FLOWERS FOR BODYSNATCHERS und BEYOND THE GHOST.
Die erste CD beginnt eigentlich ganz entspannt und unverfänglich mit Meeresrauschen, fast harmonisch zu nennen. Doch dann ertönen Posaunen, die ein nahendes Unheil verkünden lassen.
Durch verschiedenste Einflüsse wird hier eine stimmungsvolle Atmosphäre erzeugt, die sich stetig mehr aufbaut und erweitert. Es ist dieser Mix aus Dark Ambient, Atmospheric Ambient und Drone, der für dieses schleichende mulmige Gefühl in der Magengegend sorgt. Passend dazu lassen sich sogar ein paar unheimliche Stimmen und merkwürdige Singsänge ausmachen, die den Hörer einlullen und - sirenengleich - mit sich in die Tiefen reißen wollen.
Auch scheint man hier und da ein Knurren zu vernehmen, was sich allerdings erst auf der zweiten CD wirklich offenbart, wenn es zu einem deutlichen Geschrei eines monströsen Wesens anschwillt.
Im Verlauf wird CD 2 dann deutlich düsterer und trister und auch das Ende bietet einem nur wenig Trost und Hoffnung, denn es gibt Dinge unter der Oberfläche, die versuchen aus den Abgründen ans Licht zu kriechen...
Ein atmosphärischer Trip par excellence und eine weitere großartige Hommage an die Literatur von HPL aus dem Hause Cryo Chamber! Wer mit solcherlei Musik etwas anzufangen weiß, dem sei dieses Werk uneingeschränkt empfohlen!